Neuer Hybrid-Trend aus China

Plug-in-Hybrid-Modelle im Aufwind, deutsche Hersteller verpassen den Anschluss

Neuer Hybrid-Trend aus China: Plug-in-Hybrid-Modelle im Aufwind, deutsche Hersteller verpassen den Anschluss
Erstellt am 30. April 2024

Die Sache mit dem Plug-in-Hybrid hatte sich für viele Autohersteller fast schon erledigt – zumindest gedanklich. Doch die Realität sieht anders aus. Insbesondere auf dem größten Automarkt der Welt in China feiern Modelle mit Batterie und Verbrennungsmotor einen riesigen Comeback.

Auf der Auto China 2024 in Peking glaubten viele Messebesucher in der vergangenen Woche ihren Augen kaum zu trauen. In den feuchtheißen Messehallen gab es kaum einen Hersteller, der keinen neuen Hybridantrieb offerierte. Viele zeigten nicht einen oder zwei, sondern gleich mehrere in unterschiedlichen Modellen und mit unterschiedlichen Reichweiten. Wer meinte, dass bei der neuen Generation von Plug-in-Hybriden mehr als 100 Kilometer Reichweite das maximal Mögliche sei, sah sich auf dem wichtigsten Automarkt der Welt getäuscht. Unter 100 Kilometer Reichweite gibt es gar nicht, sondern die neuen Messemodelle versprechen 150, 200 oder gar bis zu 300 Kilometer.

Hybrid nur mit Stecker

Hybridversionen ohne Stecker, wie diese seit Jahren sehr erfolgreich Toyota oder deren Edelableger Lexus anbieten, spielen in China keine Rolle. Im Gegenteil: die Hybriden ohne Stecker, wie diese aktuell auch Hersteller wie Renault / Dacia oder Hyundai / Kia, Suzuki oder Mitsubishi / Nissan, Opel / Peugeot / Citroen verkaufen, haben keine Relevanz.

Die maximale elektrische Reichweite ist das harte Maß beim virtuellen Messequartett. Stellantis stellte bei seinen verschiedenen Marken in den vergangenen Monaten immer mehr Hybridversionen vor: Opel Corsa, Astra oder Grandland - ein kleiner Dreizylinder, der von einem Elektromotor, versteckt im Getriebetunnel für Boost und maximale Rekuperationen unterstützt wird, ist nicht das, was sich die Chinesen unter einem Hybriden der Zukunft vorstellen.
Vielmehr mutet das Paket aus elektrischem Antrieb und einem zusätzlichen Verbrenner an Bord beinahe als eine Art Reichweitenverlängerer / Range Extender, wenn die elektrische Energie des bis zu 50 kWh großen Batteriepaketes im Unterboden oder Heck des Fahrzeugs einmal nicht ausreichen sollte.

Für die Autohersteller ist dieser China-Trend ein echtes Problem, denn in Europa interessieren sich immer wenige Kunde für die Plug-in-Hybriden, da die Subventionen in den meisten Ländern gestrichen oder maximal reduziert wurden. Gerade in Nord- und Mitteleuropa flöten viele Hersteller lautstark das Hohelied des Elektroantriebs, der die Zukunft aller Automobilität sei. Das sieht in den chinesischen Millionenagglomerationen ganz anders aus.

Bei vielen Herstellern liegt die Quote der Plug-in-Hybriden auf dem chinesischen Heimatmarkt bei 30, 40 oder gar 50 Prozent. Und auch langfristig gehen die Analysten bei allen steigenden Elektrotendenzen aus, dass sich mindestens 20 Prozent aller Kunden langfristig für einen Plug-in-Hybriden entscheiden werden. Diese Modelle von Great Wall, Geely, Baic, Aion, MG, Dongfeng der BYD locken mit günstigen Preisen und Gesamtreichweiten von 700 bis 1.000 Kilometern, ehe getankt oder nachgeladen werden muss. Bestes Beispiel ein günstiger Mittelklasse-SUV wie der Roewe D5 X, der als Plug-in-Hybrid von einem 1,5 Liter großen Vierzylinder-Turbo mit Elektromotor angetrieben wird. Sein Normverbrauch: 4,6 Liter – seine maximale Reichweite aus dem hybriden Antriebsstrang: 1.300 km. Rein elektrisch schafft der Crossover immerhin 135 km. Auch Mazda stellte in Peking seine neue Oberklasse-Limousine des EZ-6 vor – zu bekommen rein elektrisch oder als PHEV mit mehr als 1.000 km Reichweite.

China hat wieder die Nase vorn

Dabei sind die Plug-in-Hybriden bei den meisten europäischen Marken eher unbeliebt, denn sie sind schwer und teuer. Wenn das Akkupaket an Bord eine nennenswerte Kapazität von mehr als 25 kWh hat, ist es teuer. Das Package im Unterboden und der zusätzliche Verbrenner an Bord, die aufwendige Bordelektronik und eine teure Komponente wie ein nötiges Automatikgetriebe machen das Ganze nicht einfacher. Ein Hersteller wie Mercedes stellt sich jedoch darauf ein, dass jene Modelle, die lokal produziert werden wie eine C-, E- oder GLC-Klasse, zumindest mittelfristig einen nennenswerten Anteil an Plug-in-Hybriden behalten werden, der auch noch steigern könnte.

Volkswagen hängt wieder hinterher

Nicht anders sieht es bei der direkten Konkurrenz von Audi oder BMW aus, die lokal in China viele Versionen – oftmals mit langem Radstand – als Plug-in-Hybriden anbieten. Volkswagen hat auf dem wichtigsten Automarkt fast keine Modelle mit Hybridantrieb auf dem Markt. Selbst ganz neue Modelle wie der gerade vorgestellte neuen Tiguan kratzen gerade einmal an der magischen 100 Kilometer-Marke im e-Betrieb. Hauptkonkurrent BYD – Build Your Dreams – verkauft aktuell fast jedes zweite Modell als Hybridversion.

Dass der Trend zu den Plug-in-Hybriden mit immer größerer Reichweite bald auch nach Europa schwappt, scheint eher unwahrscheinlich. Zu sehr haben sich viele Hersteller darauf verständigt, mittelfristig auf reine Elektroautos zu setzen. Für viele sind die PHEV-Modelle eher kostenintensive Übergangsmodelle, die man lieber heute als morgen abstellen würde, weil die große Varianz Komplexität und Kosten erhöht. Aktuell sieht es mit dem Verkauf von Plug-in-Hybriden in Deutschland eher schwierig aus, denn der Verkaufsanteil liegt gerade einmal bei knapp über sechs Prozent. Benziner, Diesel und Hybriden machen mit insgesamt über 81 Prozent den Großteil der Zulassungen aus.

Stefan Grundhoff; press-inform

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